Pressefreiheit kennt keine Grenzen!

Aufruf zur praktischen Solidarität mit der türkischen Tageszeitung „Evrensel“

Eine lebendige Demokratie braucht freie und unabhängige Medien wie die Luft zum Atmen. Wie kritisch die gegenwärtigen Verhältnisse in der Türkei sind, lässt sich daher nicht zuletzt daran ablesen, wie die Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mit kritischen journalistischen Stimmen umgeht.

Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 ließ sie mehr als 170 Zeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Radiosender, Nachrichtenagenturen sowie Verlage schließen, weil sie angeblich die „nationale Sicherheit“ gefährdeten. Es wurden weit über 100 Journalistinnen und Journalisten verhaftet und mehr als 700 Presseausweise annulliert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ belegt die Türkei mittlerweile Platz 157 von 180.

Für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht ihre Freiheit oder ihren Arbeitsplatz verloren haben, haben sich die Arbeitsbedingungen dramatisch verschlechtert. Inzwischen gibt es in der Türkei nur noch ganz wenige Medien, die nicht als gleichgeschaltet bezeichnet werden können. Eine davon ist die Tageszeitung „Evrensel“.

Aber auch sie ist akut in ihrer Existenz bedroht. Regelmäßig werden einzelne Ausgaben der linken und gewerkschaftsnahen Zeitung konfisziert. Durch teure Gerichtsverfahren wird versucht, die ökonomische Existenz von „Evrensel“ zu zerstören. Immer wieder wird sie wegen vermeintlich unbotmäßiger Artikel zu hohen Strafzahlungen verurteilt. Redaktionsmitglieder sehen sich willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt. Eine solche Zermürbungstaktik durchzuhalten, ist kein leichtes Unterfangen und kostet viel Kraft. Desto wichtiger ist jetzt unsere Solidarität und Unterstützung.

Bis zum Juli 2016 befand sich die Istanbuler Zentralredaktion von „Evrensel“ in gemeinsamen Räumlichkeiten mit dem regierungskritischen Fernsehsender Hayatın Sesi TV. Zudem gab es noch die monatliche Kulturzeitschrift „Evrensel Kültür“. Doch sie gehören beide zu jenen Medien, die ohne nachvollziehbaren Grund unmittelbar nach dem Putschversuch per Notstandsdekret geschlossen wurden. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt. So ist nur noch „Evrensel“ übriggeblieben. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch?

Die 1995 gegründete Tageszeitung kämpft um ihr Überleben. Es gibt verschiedene Wege, unbequemen Journalismus mundtot zu machen. Ebenso wirkungsvoll wie staatliche Verbote kann auch eine ökonomische Drangsalierung sein. Darauf setzt offenkundig das autokratische Regime Erdoğans im Fall von „Evrensel“. Tatsächlich wird die finanzielle Situation der Zeitung aufgrund der verhängten Strafzahlungen, eines Anzeigenboykotts öffentlicher Stellen und der drastisch gestiegenen Papierpreise zunehmend prekärer. Doch noch streitet die Redaktion unverdrossen für demokratische Verhältnisse in der Türkei.

Helfen wir mit, dass ihr der Atem nicht ausgeht! Wir dürfen unsere Kolleginnen und Kollegen in der Türkei nicht allein lassen. Der Kampf für Presse- und Meinungsfreiheit ist international. Deswegen rufen wir hiermit zu einer finanziellen Unterstützung von „Evrensel“ auf. Sorgen wir mit dafür, dass diese kleine wichtige Zeitung dem ungeheuren ökonomischen und politischen Druck weiter standhalten kann.

Erstunterzeichnerinnen und -Zeichner

Frank Ãœberall (DJV – Bundesvorsitzender)

Peter Freitag (stell. Bundesvorsitzender der dju in ver.di)

Christian Mihr (Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen)

Michael Rediske (Vorstandssprecher Reporter Ohne Grenzen)

Joachim Abel (Chefredakteur Filstalexpress)

Doris Akrap (taz-Redakteurin)

André Anchuelo (Redakteur Jungle World)

Sebastian Bähr (Redakteur Neues Deutschland)

Rolf Becker (Schauspieler)

Daniel Behruzi (freier Journalist)

Pascal Beucker (taz-Redakteur)

Markus Bickel (Chefredakteur Amnesty Journal)

Daniela Dahn (Autorin, Mitherausgeberin von Ossietzky)

Serdar Derventli (Verantwortlicher Redakteur NeuesLeben/Yeni Hayat )

René Heilig (Redakteur Neues Deutschland)

Ulrike Herrmann (taz-Redakteurin)

Stefan Hut (Chefredakteur Junge Welt)

Sabine Kebir (freie Publizistin)

Elisabeth Kimmerle (Redakteurin tazgazete)

Andreas Köhn (ver.di Landesfachbereichsleiter Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg)

Anja Krüger (taz-Redakteurin)

Alina Leimbach (Redakteurin Neues Deutschland)

Georg Löwisch (taz-Chefredakteur)

Martina Mescher (Redakteurin Der Freitag)

Robert D. Meyer (Redakteur Neues Deutschland)

Jonas Miller (Journalist)

Yücel Özdemir (Evrensel Europa Vertreter)

Ahmet Senyurt (freier Journalist)

Nelli Tügel (Redakteurin Neues Deutschland)

Felix Werdermann (freier Journalist)

Susann Witt-Stahl (Chefredakteurin Melodie & Rhythmus)

Winfried Wolf (Chefredakteur Lunapark21)

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Pressefreiheit kennt keine Grenzen!

Aufruf zur praktischen Solidarität mit der türkischen Tageszeitung „Evrensel“

Eine lebendige Demokratie braucht freie und unabhängige Medien wie die Luft zum Atmen. Wie kritisch die gegenwärtigen Verhältnisse in der Türkei sind, lässt sich daher nicht zuletzt daran ablesen, wie die Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mit kritischen journalistischen Stimmen umgeht.

Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 ließ sie mehr als 170 Zeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Radiosender, Nachrichtenagenturen sowie Verlage schließen, weil sie angeblich die „nationale Sicherheit“ gefährdeten. Es wurden weit über 100 Journalistinnen und Journalisten verhaftet und mehr als 700 Presseausweise annulliert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ belegt die Türkei mittlerweile Platz 157 von 180.

Für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht ihre Freiheit oder ihren Arbeitsplatz verloren haben, haben sich die Arbeitsbedingungen dramatisch verschlechtert. Inzwischen gibt es in der Türkei nur noch ganz wenige Medien, die nicht als gleichgeschaltet bezeichnet werden können. Eine davon ist die Tageszeitung „Evrensel“.

Aber auch sie ist akut in ihrer Existenz bedroht. Regelmäßig werden einzelne Ausgaben der linken und gewerkschaftsnahen Zeitung konfisziert. Durch teure Gerichtsverfahren wird versucht, die ökonomische Existenz von „Evrensel“ zu zerstören. Immer wieder wird sie wegen vermeintlich unbotmäßiger Artikel zu hohen Strafzahlungen verurteilt. Redaktionsmitglieder sehen sich willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt. Eine solche Zermürbungstaktik durchzuhalten, ist kein leichtes Unterfangen und kostet viel Kraft. Desto wichtiger ist jetzt unsere Solidarität und Unterstützung.

Bis zum Juli 2016 befand sich die Istanbuler Zentralredaktion von „Evrensel“ in gemeinsamen Räumlichkeiten mit dem regierungskritischen Fernsehsender Hayatın Sesi TV. Zudem gab es noch die monatliche Kulturzeitschrift „Evrensel Kültür“. Doch sie gehören beide zu jenen Medien, die ohne nachvollziehbaren Grund unmittelbar nach dem Putschversuch per Notstandsdekret geschlossen wurden. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt. So ist nur noch „Evrensel“ übriggeblieben. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch?

Die 1995 gegründete Tageszeitung kämpft um ihr Überleben. Es gibt verschiedene Wege, unbequemen Journalismus mundtot zu machen. Ebenso wirkungsvoll wie staatliche Verbote kann auch eine ökonomische Drangsalierung sein. Darauf setzt offenkundig das autokratische Regime Erdoğans im Fall von „Evrensel“. Tatsächlich wird die finanzielle Situation der Zeitung aufgrund der verhängten Strafzahlungen, eines Anzeigenboykotts öffentlicher Stellen und der drastisch gestiegenen Papierpreise zunehmend prekärer. Doch noch streitet die Redaktion unverdrossen für demokratische Verhältnisse in der Türkei.

Helfen wir mit, dass ihr der Atem nicht ausgeht! Wir dürfen unsere Kolleginnen und Kollegen in der Türkei nicht allein lassen. Der Kampf für Presse- und Meinungsfreiheit ist international. Deswegen rufen wir hiermit zu einer finanziellen Unterstützung von „Evrensel“ auf. Sorgen wir mit dafür, dass diese kleine wichtige Zeitung dem ungeheuren ökonomischen und politischen Druck weiter standhalten kann.

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118 Herr Stephan S. Jan 05, 2019
117 Herr uwe d. Jan 05, 2019
116 Herr Lawrence Z. Jan 04, 2019
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112 Herr Jan S. Dez 27, 2018
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108 Frau Beate K. Dez 26, 2018
107 Herr Ralf K. Dez 25, 2018
106 Herr Haru S. Dez 25, 2018
105 Frau Bahar G. Dez 25, 2018
104 Frau Ute A. Dez 24, 2018
103 Herr Helmut H. Dez 23, 2018
102 Herr Ulrich W. Dez 23, 2018

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Spenden Konto:

DIDF, Postbank Köln, IBAN:DE59 3701 0050 0319 6835 09, BIC:PBNKDEFF

Stichwort: EVRENSEL (Wenn gewünscht, wird Spendenbescheinigung ausgestellt)

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Kontakt:
Pascal Beucker, eMail: beucker@taz.de , Tel.: 0171 – 4164063,
Yücel Özdemir, eMail: y.ozdemir@yenihayat.de , Tel.: 0171 – 5329826

Friedenspreisträgerin in der Türkei zu Haft verurteilt

Die hessische Friedenspreisträgerin Sebnem Korur Fincanci ist in der Türkei zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Ihr wird „Terrorpropaganda“ vorgeworfen. Ministerpräsident Bouffier zeigte sich betroffen.
Vor wenigen Wochen noch hatte die Vorsitzende der türkischen Menschenrechtsstiftung Åžebnem Korur Fincanci den Hessischen Friedenspreis in Wiesbaden bekommen. Nun wurde die Menschenrechtlerin in der Türkei zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wie am Freitag bekannt wurde. Der Vorwurf: „Terrorpropaganda“. Die Verurteilung erfolgte bereits am Mittwoch (19.12.2018) in Istanbul.

Fincanci hatte im Jahr 2016 die Friedenspetition „We will not be a party to this crime“ unterschrieben. Sie ist eine von über 1.000 Akademikern, die diese Friedenspetition unterzeichnet haben. Laut Medienberichten muss sie die Haft tatsächlich antreten.
Kartmann: „Ich wünsche ihr viel Kraft“
Der Präsident des Hessischen Landtags, Norbert Kartmann (CDU), zeigte sich bestürzt über das Urteil. „Åžebnem Korur Fincanci ist eine mutige Frau, ich wünsche ihr viel Kraft bei ihrem unbeirrbaren Einsatz für den Frieden und die Menschenrechte“, so der Landtagspräsident.
Auch der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) kritisierte die Entscheidung des Gerichtes. „Ihre Verurteilung macht mich sehr betroffen. Wir brauchen Menschen wie sie, die sich unermüdlich für den Frieden engagieren – und dabei auch ein persönliches Risiko nicht scheuen“, sagte Bouffier.
Fincanci hatte den Friedenspreis für ihren Einsatz für die Aufarbeitung von Folter und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei erhalten. Sie ist Mitverfasserin des so genannten „Istanbul Protokolls“, das als internationales Standardwerk der Vereinten Nationen zur Untersuchung und Dokumentation von Folter weltweit anerkannt ist.
Quelle: https://www.hessenschau.de/gesellschaft/friedenspreistraegerin-in-der-tuerkei-zu-haft-verurteilt,verhaftung-fincanci-100.html


(Sebnem Korur Fincanci schreibt jeder Woche Montag Kolumne für Evrensel: https://www.evrensel.net/yazar/71/sebnem-korur-fincanci

The full text of Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı’s statement to the court:
https://www.evrensel.net/daily/368986/the-full-text-of-prof-dr-sebnem-korur-fincancis-statement-to-the-court

DJV: Solidarität mit Evrensel

Der Deutsche Journalisten-Verband erklärt sich mit der türkischen Tageszeitung Evrensel solidarisch, die akut in ihrer Existenz bedroht ist.
Regelmäßig werden einzelne Ausgaben der linken und gewerkschaftsnahen Zeitung konfisziert. Durch teure Gerichtsverfahren wird versucht, die ökonomische Existenz von Evrensel zu zerstören. Immer wieder
wird sie wegen vermeintlich unbotmäßiger Artikel zu hohen Strafzahlungen verurteilt. Redaktionsmitglieder sehen sich willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt. DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall gehört deshalb zu den Erstunterzeichnern des Solidaritätsaufrufs „Pressefreiheit kennt keine Grenzen“. Ins Leben gerufen wurde der Aufruf von Journalistinnen und Journalisten der taz.
„Die Evrensel gehört zu den ganz wenigen Medien in der Türkei, die der Unterdrückungspolitik des Staates noch standhalten“, betont der DJV-Vorsitzende. „Wie lange die Redaktion noch existieren kann, weiß niemand. Aber klar ist: Sie braucht ganz dringend internationale Unterstützung.“ Für Journalisten in der freien Bundesrepublik sei es Ehrensache, den Evrensel-Kollegen beizustehen.
(19. Dezember 2018)

Türkei: Unterstützung für „Evrensel“

DEZEMBER 2018 VON MH/PM
„Pressefreiheit kennt keine Grenzen“ ist ein Solidaritätsaufruf für die türkische Tageszeitung „Evrensel“ übertitelt, den taz-Redakteur Pascal Beucker und Evrensel-Journalist Yücel Özdemir initiiert haben. „Evrensel“ gehört zu den wenigen oppositionellen Medien in der Türkei, die noch nicht geschlossen wurden oder schließen mussten, ist jedoch massiv in seiner Existenz bedroht. Beucker und Özdemir bitten deshalb auch um finanzielle Unterstützung. Der stellvertretende dju-Bundesvorsitzende Peter Freitag gehört zu den Erstunterzeichner_innen des Solidaritätsaufrufs.
„Die Journalistinnen und Journalisten in der Türkei brauchen unsere Solidarität. Das gilt für jene, die seit dem gescheiterten Putsch mit fadenscheinigen Gründen in Haft sitzen. Das gilt aber auch für all jene, die wie die Kolleginnen und Kollegen von „Evrensel“ ihre wichtige Aufgabe allen Repressalien und Bedrohungen zum Trotz noch erfüllen und sich für demokratische Verhältnisse in ihrem Land einsetzen können. Ihnen gehört unser Respekt und unsere Unterstützung“, sagte Peter Freitag. Die dju in ver.di stehe uneingeschränkt an ihrer Seite.
Evrensel befinde sich in dramatischen finanziellen Schwierigkeiten, heißt es in dem Aufruf, ausgelöst durch die „ökonomische Drangsalierung“ seitens staatlicher Stellen, mit der unbequemer Journalismus mundtot gemacht werden soll. Regelmäßig würden einzelne Ausgaben der linken und gewerkschaftsnahen Zeitung konfisziert, immer wieder werde sie wegen vermeintlich unbotmäßiger Artikel zu hohen Strafzahlungen verurteilt, Redaktionsmitglieder sähen sich willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt. „Eine solche Zermürbungstaktik durchzuhalten, ist kein leichtes Unterfangen und kostet viel Kraft. Desto wichtiger ist jetzt unsere Solidarität und Unterstützung“, so die Initiatoren des Aufrufs. Sie bitten darum, den Kolleginnen und Kollegen in der Türkei zur Seite zu stehen und mit dafür zu sorgen, dass „Evrensel“ „dem ungeheuren ökonomischen und politischen Druck weiter standhalten kann.

3 weitere Journalisten in der Türkei verurteilt

Am 28. September 2016 unterschrieb der Präsident Erdogan das Dekret mit der Nummer 668 im Rahmen der seit dem Putschversuch im Juli geltenden Notstandsgesetze und verbot den regierungskritischen Fernsehsender Hayatin Sesi (vormals Hayat TV) sowie 12 weitere linke, Erdogan-kritische und kurdische TV-Stationen, darunter auch einen kurdischen Kinderkanal und 11 Radiosender. Der Vorwurf gegen Hayatin Sesi lautete wie üblich in der Türkei: „Propaganda einer Terrororganisation“. Später folgten Verbote weiterer Medien, politischer und philosophischer Zeitschriften und sogar einer Kulturzeitschrift. Die Staatsanwaltschaft ging einen Schritt weiter und nahm die Begründung zur Schließung als Beweis dafür, um dem Sender auch noch eine Geldstrafe aufzubürden. Büros, Computer und Kameras wurden beschlagnahmt, die Konten gepfändet und hohe Geldstrafen gegeben. Nun, fast zwei Jahre nach Schließung, wurden die beiden früheren Miteigentümer Mustafa Kara und Ismail Gökhan Bayram sowie der Chefredakteur Gökhan Cetin mit jeweils drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre gefordert. Bis zu einem Berufungsurteil bleiben die 3 Journalisten auf freiem Fuß.

In der Türkei sitzen derzeit 183 Journalisten im Gefängnis.

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Hintergrundinfos zur Schließung von Hayatin Sesi

Sowohl die Begründung als auch die Anklage an sich hat nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun und zeigt, mit welchen Mitteln Erdogan und seine AKP Kritiker mundtot machen wollen. Aus den Fingern gesogene „Beweise“ und deren lächerliche Begründungen zeigen, was Erdogan von Presse- und Meinungsfreiheit hält.

Zunächst wird die Live-Berichterstattung des Senders während und nach dem Selbstmordattentat des Islamischen Staates am 10. Oktober 2015 am Bahnhof von Ankara als Straftat eingestuft. Hayatin Sesi berichtete über den Anschlag auf eine Friedensdemo, bei dem 109 Erdogan-Gegner getötet wurden, verurteilte an Ort und Stelle diesen feigen Anschlag und forderte eine schnelle Aufklärung. Der Sender stellte während der Live-Übertragung auch die Frage, warum keine Sicherheitskräfte mehrere Hundert Meter im Umkreis der Explosion zu sehen waren, als die Bombe hochging. Immerhin sei es sehr unüblich, dass man nicht etliche Polizeikontrollen und -schikane über sich ergehen lassen müsse, bis man am Kundgebungsort ankäme. In der Anklageschrift wird betont, dass der Sender an diesem Tag trotz des verhängten Sendeverbots, den ganzen Tag darüber berichtet habe und deswegen gegen die Anweisung der „Regulierungsbehörde für den privaten Rundfunk“ (RTÜK) verstoßen habe.

Die herangeführten „Beweise“ für die Anschuldigung sind genauso lächerlich: „Terrorpropaganda“ wird damit begründet, dass …

  • … Bilder einer verletzten Frau gezeigt werden, die umhüllt in einem Demo-Transparent weggetragen wird, wobei man nicht mal genau erkennt, welcher Organisation dieses Transparent gehört.
  • … Bilder einer Handykamera gezeigt werden, die die Momente kurz vor, während und nach der Explosion einer Bombe aufgenommen hat.
  • … Menschen, die nach der Explosion in Panik weglaufen oder nach Freunden oder Angehörigen zu suchen, gezeigt werden. Somit erfülle der Sender laut Staatsanwaltschaft den Straftatbestand, eine Terrororganisation zu unterstützen, in dem er die Panik und das Chaos unzensiert auf die Bildschirme bringe.

Eine weitere Anschuldigung gegen den Sender und die Betreiber ist die Berichterstattung über ein anderes Attentat am 13. März 2016 in Ankara, bei dem 35 Menschen starben. Die Straftat dabei bestehe darin, dass Angehörige der Opfer interviewt wurden und diese ihren Schmerz und ihre Wut öffentlich zur Sprache brachten. Ebenfalls wurde dem Sender vorgeworfen, dass die Zahl der Opfer genannt wurde. Ein Angehöriger hatte während eines Interviews seiner Trauer und seinem Verlust luftgemacht, in dem er die Politik der Regierung als die Ursache von Terroranschlägen bezeichnete und den Rücktritt von Verantwortlichen forderte.

Eine weitere Anschuldigung ist der Bericht über den IS-Anschlag am 19. März 2016 am Taksim Platz in Istanbul, bei dem 4 Menschen starben und 36 Menschen verletzt wurden. In der Anklageschrift steht, dass die Video-Aufnahmen ohne jegliche redaktionelle Bearbeitung und Zensur ausgestrahlt wurden, so dass man Sanitäter, die die Verletzten versorgten, erkennen und hören könne. Und „all dies wurde trotz verhängtem Sendeverbot ausgestrahlt“, so der Vorwurf. Diese Berichte gelten in Erdogans Türkei als Beweis für den Straftatbestand „Propaganda für eine Terrororganisation“ betrieben zu haben, also in dem Falle für den Islamischen Staat, da deren Ziel, Angst einzujagen, verbreitet worden sei!