Große Solidarität für die Pressefreiheit in Istanbul

Tausende Leser nahmen an dem Solidaritätsfest teil, das gegen den Druck der Regierung auf die Tageszeitung Evrensel organisiert wurde, die seit 27 Jahren in der Türkei unter dem Motto „Die Stimme der Arbeiter, der Bote der Wahrheit“ erscheint. Viele Menschenrechtsorganisationen, Akademiker, Journalisten und Intellektuelle unterstützten die Veranstaltung mit Reden und Grußbotschaften, und es wurde ein deutliches Zeichen zur Verteidigung der Pressefreiheit gegen die Versuche der Erdoğan-Regierung gesetzt, die oppositionelle Presse zum Schweigen zu bringen. Viele Künstler zeigten mit ihren Auftritten und Ausstellungen ihre Unterstützung für die Zeitung Evrensel und die Pressefreiheit.

In der Türkei, wo nur wenige Oppositionszeitungen erscheinen, wurde Evrensel, eine von ihnen, in den letzten Monaten von der Regierung mit einem Werbeverbot belegt. So soll die Zeitung für ihre oppositionelle Redaktionspolitik wirtschaftlich bestraft werden.

Arbeiter, Werktätige, Jugendliche und Frauen, die zum Festivalgelände kamen, riefen „Evrensel kann nicht zum Schweigen gebracht werden, die Zensoren werden gehen und wir werden bleiben“.

In der Halle hingen Transparente mit den Aufschriften „Evrensel ist stark mit euch“, „Wir sind stark mit Evrensel“, „Nein zur Zensur“, „Evrensel lässt sich nicht zum Schweigen bringen“, „Die Einheit der Arbeiter wird das Kapital besiegen“, „Wir werden gemeinsam ein unabhängiges, demokratisches Land und ein menschenwürdiges Leben gewinnen, die Völker werden siegen“ und „Frieden“ in verschiedenen Sprachen. Die Leser riefen beim Betreten des Veranstaltungssaals häufig Slogans, wie „Die freie Presse kann nicht zum Schweigen gebracht werden“ und „Die Arbeiterklasse ist stark mit ihrer Presse“.

„Sie bekommt ihre Kraft von der Bevölkerung, ihr werdet sie nicht zum Schweigen bringen“

Das Festival begann mit einer Filmvorführung über die Rolle von Evrensel in den Kämpfen der Arbeiter, Frauen und Jugendlichen. Seyit Aslan, Vorstandsmitglied des Gewerkschaftsdachverbands DİSK und Vorsitzender der Gewerkschaft Gıda-İş, ergriff das Wort im Namen des Festkomitees. Aslan wies auf die Bemühungen der Regierung hin, Evrensel über das Amt für Presseanzeigen (BİK) zum Schweigen zu bringen und sagte: „Eure Tyrannei und euer Druck werden für Evrensel nicht ausreichen. Wir werden diese Schwierigkeiten gemeinsam überwinden, denn Evrensel ist die Zeitung der Arbeiterklasse, die Zeitung der Befürworter der Demokratie, die Zeitung der Frauen und der Jugend. Es ist die Zeitung von Menschen, die Ungerechtigkeit und Unrecht erfahren haben, die versuchen, ihre Umwelt und Natur zu schützen, die gegen die Umgestaltung der Städte kämpfen und denen es egal ist, wo sie wählen. Sie werden diese Zeitung niemals aufhalten können. Solange Evrensel seine Kraft aus der Arbeiterklasse, der Bevölkerung und den Werktätigen bezieht, kann und wird Evrensel nicht zum Schweigen gebracht werden.“

„Der Zensurdruck ist größer als in der Vergangenheit“

Fatih Polat, Chefredakteur von Evrensel, betonte, dass die Türkei eine der problematischsten Phasen in Bezug auf die Pressefreiheit durchläuft und sagte: „Der Druck, der auf Zeitungen und Fernsehsender durch BIK und RTÜK (Oberster Rundfunk- und Fernsehrat) liegt, wird durch das neue Desinformationsgesetz noch verstärkt, das Websites stärker als je zuvor unter Zensurdruck setzt. Journalisten, die die Nachrichten auf der Straße verfolgen, sind häufig mit Polizeigewalt konfrontiert. Kürzlich sind zu unseren inhaftierten Kollegen 25 weitere Journalisten hinzugekommen“. „Trotz allen Drucks gibt es eine journalistische Tradition, zu der auch unsere Zeitung gehört, die das Recht der Öffentlichkeit auf Nachrichten nicht gefährdet“, sagte Polat und richtete Grüße an die inhaftierten Journalisten und diejenigen, die diese Tradition fortführen.

„Wir wollen von einer freien Türkei berichten“

Polat betonte, dass „Evrensel nicht zum Schweigen gebracht werden kann“ angesichts aller Hindernisse, die gegen die Zeitung seit ihrem ersten Erscheinungstag aufgetreten sind, und sagte: „Die Regierungen, die dies zuvor versucht haben, sind Geschichte, ohne dass sie Erfolg hatten. Die AKP wird auch lernen. Wir fordern BIK, die uns aus politischen Gründen das Recht auf offizielle Anzeigen entzogen hat, erneut auf, diesen rechtswidrigen Akt aufzugeben. Die Solidarität unserer Leser gibt uns Kraft. Der Anstieg der Zahl unserer Abonnenten nach der Streichung unseres Werberechts ist eine wichtige Antwort auf diejenigen, die Evrensel mit einer finanziellen Belagerung ersticken wollen. Wir brauchen die Kontinuität dieser Solidarität. Wir wollen von einer freien Türkei berichten, in der die Kinder nicht hungrig zu Bett gehen“.

Nach Polats Rede hoben Tausende von Menschen ihre Zeitungen in die Luft und riefen: „Die Zensoren werden gehen, wir werden bleiben“.

„Sie können diese Stimme nicht zum Schweigen bringen, egal was sie tun“

Die Botschaften des ehemaligen HDP-Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş, der TTB-Vorsitzenden (Türkische Ärztekammer) und Evrensel-Kolumnistin Şebnem Korur Fincancı sowie der Gezi-Gefangenen Mücella Yapıcı, Çiğdem Mater, Mine Özerden, Can Atalay, Tayfun Kahraman und Hakan Altınay wurden ebenfalls auf dem Festival verlesen.

In der Grußbotschaft der Plattform Istanbuler Gewerkschaften hieß es: „Im Namen der Klassensolidarität bringen wir erneut zum Ausdruck, dass wir Evrensel unter allen Umständen zur Seite stehen.“

Der Widerstand der Frauen für die Istanbuler Konvention, der Kampf der Boğaziçi-Studenten und Akademiker sowie die Opfer des Massakers vom 10. Oktober in Ankara wurden auf dem Festival nicht vergessen.

Die Iraner im Widerstand: Die Pressefreiheit und das Recht auf Information sind für alle Völker wichtig!

Eine Videobotschaft, die von den Teilnehmern am Widerstand im Iran in Solidarität mit der Zeitung gesendet wurde, wurde ebenfalls auf dem Festival ausgestrahlt: „Das iranische Regime tut alles, um den Widerstand zu unterdrücken. Von der Erschießung von Menschen auf der Straße, bis hin zu Angriffen auf Grundschulen. Natürlich sind die Medien eingeschränkt. Wir versuchen die Stimme unseres Volkes innerhalb und außerhalb des Landes zu sein. Die internationale Solidarität gegen das Unterdrückungsregime ist von großer Bedeutung. Die Pressefreiheit und das Recht, Nachrichten zu erhalten, sind für alle Völker wichtig. Gut, dass es euch gibt, Evrensel.“

An der Veranstaltung nahmen teil: der Schauspieler Kadir İnanır, der Vorsitzende der Partei der Arbeit (EMEP), Ercüment Akdeniz, die Ko-Vorsitzende der HDP, Pervin Buldan, der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrıkulu, der Bürgermeister der Stadtgemeinde Avcılar, Turan Hançerli, der Vorsitzende der Leder- und Textilgewerkschaft Deriteks, Makum Alagöz, der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft TGS, Gökhan Durmuş, der Vorsitzende der Autorengewerkschaft TYS, Adnan Özyalçıner und die sich im Arbeitskampf befindenden Mitarbeiter der Firmen Yasin Çakır, Puler und ETF.

Hafen-, Metall-, Textil- und Transportarbeiter, Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, die Mitglieder des Gewerkschaftsdachverbands KESK sind, Führungskräfte von Provinz- und Bezirksorganisationen der EMEP, der CHP, der HDP und der TİP, Führungskräfte von alevitischen Organisationen und alevitischen Gemeinden, Samstagsmütter, Friedensmütter, Mitglieder der Volkssolidarität von Şahintepe, die sich gegen die städtische Umgestaltung in Şahintepe wehren, lokale Vereine, Massenorganisationen und Gewerkschaftsvertreter waren ebenfalls anwesend.

Außerdem gab es Ausstellungen von Gemälden des iranischen Malers Termeh Yaghoubi, eine Auswahl von Evrensels Schlagzeilen aus 27 Jahren und Karikaturen von Sefer Selvi.

Auch zahlreiche Musik- und Tanzgruppen traten auf dem Solidaritätsfestival auf und brachten Farbe in die Veranstaltung, um zu zeigen, dass sie zu Evrensel stehen.

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