Die Arbeiterzeitung steht an der vordersten Front des Klassenkampfes

Ihsan Caralan

Der Chefredakteur der türkischen oppositionellen Tageszeitung Evrensel, Hakkı Özdal, rief die Leserinnen und Leser der Zeitung zur „Solidatität mit Evrensel“ auf.

Außenstehende mögen vielleicht denken: „Evrensel ruft schon wieder zur Solidarität auf“. Aber Evrensel wurde 29 Jahre lang auf jede erdenkliche Weise zu blockieren versucht. Von der Beschlagnahmung unzähliger Ausgaben bis zu Druck- und Verkaufsverboten. Von der Verhinderung des Zugangs ihrer Reporter zu Nachrichten, von der Verschleppung ihrer Autoren, Geschäftsführer und Reporter vor Gerichte, von dem Versuch, sie mit Geld- und Haftstrafen zum Schweigen zu bringen, von der dreimaligen Schließung und schließlich von der finanziellen Belagerung durch die Verwaltungsbehörde für amtliche Veröffentlichungen (BİK), indem sie ihr „Recht auf Anzeigen“ annulierte ohne rechtliche Grundlage.

Aus diesem Grund kämpft Evrensel seit ihrer Gründung gegen administrative, politische und juristische Behinderungen im wahrsten Sinne des Wortes und stützt sich dabei nur auf ihre Leser, die zugleich ihre Reporter, Autoren, Abonnenten und Verteiler sind, gegen die Versuche, sie finanziell zu ruinieren.

Evrensel wird nicht von den Milliarden der Konzerne oder den Mitteln des Staates gestützt und gehört nicht zu den pro-Regierungsmedien, die ohne zu hinterfragen abdrucken, was die Regierung erklärt. Im Gegenteil, Evrensel bekämpft diese Ordnung der Ausbeutung und Unterdrückung, die von den anderen Medien mit allen staatlichen Mittel verteidigt werden.

Warum der Aufruf zur Solidarität?

Unter diesem Gesichtspunkt sind die Leser von Evrensel in der Tat ständig in der Lage, die Zeitung zu verbreiten, die von ihr dargestellten Tatsachen unter den Werktätigen zu diskutieren, jeden Tag neue Leser zu gewinnen und die Reaktionen der Arbeiter und Werktätigen durch ihre Berichterstattung zu verbreiten.

Özdal sagte in seinem Solidaritätsaufruf: „…Heute treten wir mit einer neuen Kampagne vor unsere Leser. Wir rufen zur Solidarität auf, um die Schwierigkeiten, die sich uns stellen, mit viel Kraft zu überwinden. Wir verstärken uns mit einem neuen Publikationsplan und neuen Autoren. Wir bitten alle Teile der Gesellschaft, denen wir Gehör verschaffen wollen, sich zu solidarisieren und diesen Kampf anzunehmen… Wie immer sind wir auf die Unterstützung unserer Leser, Autoren und aller Werktätigen angewiesen, um unseren Stimmen in mehr Medien Gehör zu verschaffen.“

Aus den Worten unseres Chefredakteurs geht hervor, dass das Zentrum unserer Zeitung nicht nur die Belegschaft mit neuen Autoren bereichert, sondern auch Initiativen ergreift, um die Leserschaft der Zeitung mit besser recherchierten Nachrichten, Interviews, Dossiers usw. zu vergrößern.

Die Zahl der Abonnenten der gedruckten Zeitung und des „e-newspapers“ zu erhöhen und die notwendigen Schritte zu unternehmen, um diese Verantwortung in der Praxis ununterbrochen wahrzunehmen, die Zahl der Nachrichten, Interviews und Briefe, die aus den Betrieben, den Arbeitervierteln, aus allen Bereichen der gesellschaftlichen Kämpfe an die Zeitung geschickt werden, so weit wie möglich zu erhöhen. Neue dauerhafte Schritte in der Bewertung der Zeitung als eine Plattform zu unternehmen, auf der Arbeiter, Werktätigen, Jugendlichen, Frauen, die Umweltbewegung… die Probleme und Lösungen des Kampfes diskutieren.

Als Arbeiterzeitung an der vordersten Front des Kampfes zwischen Wahrheit und Lüge ist Evrensel ein scharfes Schwert, das den von den kapitalistischen Medien gewebten Lügenvorhang zerreißen wird.

Solange wir dieses Schwert geschickt einsetzen, indem wir es mit unseren eigenen Erfahrungen anreichern, wird Evrensel nicht besiegt werden, egal was die Ordnungsmächte tun!

Der Kampf zwischen Lüge und Wahrheit

Das Kommunistische Manifest beginnt mit dem Satz „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ Für uns bedeutet das, die „Geschichte ist die Geschichte des Kampfes zwischen Lüge und Wahrheit“.
Denn seit der Entstehung der Klassen hat sich eine handvoll Sklavenhalter in der Sklavengesellschaft der Tradition, der Sitte, der Religion, der Philosophie sowie der Fakten der Wissenschaft bedient, um ihre Herrschaft über Millionen von Arbeitern (Sklaven), eine handvoll Adlige in der Feudalgesellschaft über Millionen von Leibeigenen (Landsklaven) und eine handvoll Kapitalisten in der kapitalistischen Gesellschaft über Millionen von Arbeitern (Lohnsklaven) zu legitimieren. Das heißt, sie haben einen Schleier der Lüge über die Köpfe der Menschen gezogen, so dass sie nicht sehen können, dass das System in Wirklichkeit ganz zu Gunsten der Herrschenden funktioniert.
Seit ihrem Auftauchen auf der Bühne der Geschichte hat die Arbeiterklasse die Zeitung benutzt, um den Lügenvorhang zu zerreißen, der über dem Kapitalismus, dem fortschrittlichsten aller Ausbeutungs- und Unterdrückungssysteme, gespannt ist.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1995 kämpft Evrensel als Erbe des außerordentlichen Reichtums an Veröffentlichungen der Arbeiterklasse in der Welt und in unserem Land als scharfes Schwert der Arbeiterklasse gegen die bürgerlichen Medien unzähliger Couleur, um den Lügenvorhang zu zerreißen, der vor den Augen des Volkes gespannt ist. Und hierbei braucht sie Solidarität und unsere Unterstützung.

Auch aus Deutschland kann Evrensel bei ihrer wichtigten Arbeit unterstützt werden. Auf der Seite von Evrensel können Sie ein Online-Abo abschließen.

https://abone.evrensel.net/yurtdisi

Kauf von mehr als einer Zeitung ist eine Straftat

Die linke Tageszeitung Evrensel hat gegen die Presseanzeigenagentur (BİK) geklagt, die ihr das Recht entzog, offizielle Anzeigen zu veröffentlichen. Das 2. Verwaltungsgericht Istanbul wies die Klage heute (26.01.2024) ab. In seiner Entscheidung akzeptierte das Gericht das Argument der BIK, der Kauf von mehr als einer Ausgabe der Zeitung durch eine Person sei eine Straftat und wies die Klage mit der Begründung ab, dass 359 Exemplare zudem an verschiedene politische Parteien und Organisationen verkauft wurden.

WAS IST GESCHIEHEN?

Im September 2019 entzog die Presseagentur (BIK) der Evrensel das Recht zur Veröffentlichung von Werbeanzeigen, wogen die Zeitung Widerspruch einlegte. Weil die BIK das ablehnte, ging der Fall im August 2022 vor Gericht. In der Begründung hieß es, dass die Verkaufsbücher der Zeitung nicht korrekt geführt würden, da Leser mehr als eine Zeitungsausgabe kauften. Nach dem ersten Gerichtsbeschluss im Sinne der BIK, reichte die Zeitung zwei Einsprüche bei der Agentur für Pressewerbung ein, um die Aufhebung des Beschlusses zu erreichen. Die Generaldirektion der BİK wies die Einsprüche jedoch mit der Begründung zurück, dass keine neuen positiven Informationen und Dokumente vorgelegt wurden, die den Verstoß der Zeitung beseitigen würden. Devrim Avcı, Anwalt der Evrensel, zog daraufhin gegen die Entscheidung erneut vor Gericht.

GERICHT GIBT BİK RECHT

Die erste Anhörung fand am 28. November 2023 vor dem 2. Verwaltungsgericht in Istanbul statt. Am Ende beschloss das Gericht, die Klage abzuweisen und erklärte die Löschung von staatlichen Anzeigen durch die BİK für gerechtfertigt. Begründet wurde die Entscheidung mit den Feststellungen, dass rund 359 Exemplare der Zeitung an verschiedene politische Parteien und Organisationen geliefert wurden, die zuletzt nicht als Händler eingestuft wurden. Die Branchenbücher, die in elektronischer Form geführt werden müssen, nicht täglich bearbeitet würden, was einen Verstoß darstellt. Im Händler- und Abonnentenbuch seien demnach nur 50 Abonnentenverkäufe aufgeführt, die für jeden Erscheinungstag der Zeitung ausgestellt werden. Im vorliegenden Fall werde deshalb davon ausgegangen, dass die klagende Zeitung, die in der Gesetzgebung geforderte Mindestzahl an Verkäufen nicht erfülle. Der Entzug des Rechts auf Anzeigen der Tageszeitung Evrensel, stelle demnach kein Widerspruch zum Gesetz dar.

„ES GIBT EIN POLITISCHES EMBARGO“

Devrim Avcı, erklärte, in dem aktuellen Urteil sei keine Rechtfertigung für ein Werbeverbot zu erkennen. Er verwies auf das Recht Berufung einzulegen. Auf Grundlage des Verfahrens und der aktuellen Entscheidung wird die Zeitung allerdings ständig durch die BIK überwacht.

Chefredakteur der Evrensel, Hakkı Özdal, sagte, die Entscheidung bedeute einen finanziellen Verlust für die Zeitung Evrensel und eine weitere Erschwernis für das Verlagswesen, die in Konkurrenz zu großen Medienmonopole arbeiten. Özdal betonte, dass die Entscheidung sie aber nicht in ihrer Arbeit aufhalten werde. „Es wird davon ausgegangen, dass eine Person nicht mehr als eine Zeitung kaufen kann, aber da wird unsere Reichweite unterschätzt. Einige unserer Leser und organisieren sich freiwillig dafür, dass unsere Zeitung überall verkauft wird“.

Özdal betonte, dass es sich bei dem Urteil um eine politische Entscheidung handelt: „Wir haben die Anhörungen verfolgt und mit eigenen Augen gesehen, wie nahe sich Angeklagter und Entscheidungsträger stehen. Dieses Urteil hat nicht nur über die Evrensel, sondern auch über das letzte verbliebene Gesetz entschieden, das ein ‚Recht‘ genannt werden kann.“

Linker Journalismus unerwünscht

Türkei: Presseagentur will mit Werbeverbot gegen Tageszeitung Evrensel finanziellen Ruin des Blattes herbeiführen

Von Emre Şahin

Dass Staaten und Regierungen gegen unliebsame linke Zeitungen vorgehen, ist – siehe die Beobachtung der jW durch den Inlandsgeheimdienst mit dem irreführenden Namen – kein rein deutsches Phänomen. Auch in der Türkei haben die Verfolgung von kritischen Journalistinnen und Journalisten sowie die Schließung oppositioneller Blätter und Sender eine lange Tradition. Neuestes beziehungsweise wiederholtes Ziel der Regierung in Ankara: die linke Tageszeitung Evrensel.

Montag vergangener Woche wurde ihr von der staatlichen Presseanzeigenagentur BIK das Recht genommen, offizielle Anzeigen zu veröffentlichen. Begründet wurde der Schritt mit absurden Vorwürfen. So versuche Evrensel, die eigenen Verkaufszahlen künstlich aufzublähen. Bei »Kontrollen«, die bei Zeitungshändlern durchgeführt wurden, sei unter anderem festgestellt worden, dass Leserinnen und Leser mehr als eine Ausgabe gekauft hätten, die Buchführung nicht korrekt durchgeführt worden sei und die Zeitung von verschiedenen Organisationen abonniert werde. Für Chefredakteur Fatih Polat ein Skandal, der in seiner Kolumne treffend darauf hinwies, dass die BIK, statt aus dem mit Steuergeldern finanzierten Budget Anzeigen zu verteilen, im Stile eines Nachrichtendienstes Mitarbeiter durch das Land schickt.

So wird der Evrensel zur Last gelegt, von Gewerkschaften und Parteien abonniert zu werden. Auch der Vorwurf der nicht korrekt geführten Buchhaltung scheint fadenscheinig, kämpft die Zeitung doch seit ihrer Gründung 1995 – auch wegen ihrer solidarischen Kurdistan-Berichterstattung – immer wieder mit Bußgeldern und Verbotsverfahren. 1996 wurde gar ihr Reporter Metin Göktepe von Polizisten umgebracht. Nicht zuletzt ist die Zeitung gerade wegen ihrer Professionalität als Anlaufstelle für Nachwuchsjournalisten bekannt, die anschließend regelmäßig von größeren Medienhäusern rekrutiert werden.

Der aktuelle Konflikt um das Werbeverbot besteht seit September 2019 und ging einher mit der zunehmenden Einflussnahme der Regierungspartei AKP auf die BIK. Nachdem die Agentur bereits 2018 direkt dem Informationsministerium unterstellt worden war, wurde der Vorstand 2019 durchweg mit regierungsnahen Funktionären besetzt. Welche Konsequenzen das hat, stellte die Föderation der Demokratischen Arbeitervereine (DIDF) in einer Mitteilung vom 24. August heraus: Während 2020 78 Prozent der staatlichen Werbeanzeigen an die regierungsnahe Presse vergeben wurde, trafen 98 Prozent der Verbote oppositionelle Blätter. Angesichts der Wirtschaftskrise und der anstehenden Wahlen, bei denen die AKP unter Druck steht, soll offensichtlich eine Zeitung der Arbeiterklasse noch vor der Abstimmung finanziell erdrosselt werden.

Dieser Meinung ist auch Yücel Özdemir, Europa-Korrespondent der Evrensel. Er sieht neben dem Mundtotmachen der Presse vor den Wahlen auch die Blattlinie als Grund: »Seit 27 Jahren machen wir linken, sozialistischen Journalismus und haben es selbst nach 2019 geschafft, als unabhängige Zeitung auf eigenen Beinen zu stehen.« Die Zeitung erfahre große Solidarität, so Özdemir gegenüber jW. Binnen einer Woche seien die Abozahlen um 300 Bestellungen gestiegen.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/433646.pressefreiheit-in-der-türkei-linker-journalismus-unerwünscht.html